Toleranz oder Tod

Die kulturellen Wortführer Europas sollte die fanatischen Islamisten niederschlagen. Stattdessen machen sie Verbeugungen vor ihnen.

von Bruce Bawer

Orig.:Tolerance or Death http://reason.com/archives/2005/11/30/tolerance-or-death

(übers. Regine/Die alte Sichel)

 Am 2. November 2004 wurde der holländische Filmemacher Theo van Gogh in einer Strasse von Amsterdam abgeschlachtet von Mohammed Bouyeri, einem radikalen Moslem, der wütend war über Submission, van Goghs schonungslosem Film über die Frauenunterwerfung im Islam.

Für viele Europäer unterstrich der Mord an einer der freimütigsten öffentlichen Figuren der Niederlande die Notwendigkeit, die Meinungsfreiheit zu schützen.

(„Es leben die Niederlande, es lebe die Meinungsfreiheit” lautete ein anonymer Kommentar inmitten Tausender Blumen und Gedenkgaben am Ort des Verbrechens.) 

Jedoch viele Mitglieder von Europas rasch wachsenden Moslemgemeinden  –   zusammen mit mehr als nur ein paar Nicht-Moslems, die um den Frieden auf  einem zunehmend verängstigten und geteilten Kontinent besorgt waren  – zogen eine ganz andere Lehre daraus: nämlich die Notwendigkeit, die Meinungsfreiheit zu beschneiden aus Respekt vor den Empfindlichkeiten der Moslems.

Letztere Ansicht drückte kurz und bündig der Kopenhagener Imam Ahmed Abu Laban aus, der den Vorwurf erhob‚’Submission’ habe „die Grenzen der Freiheit der Rede überschritten“, und „eine offene Debatte über diese Grenzen“ verlangte. Iqbal Sacranie vom “Muslim Council of Britain” stimmte dem zu.

 „Hat die Redefreiheit keine Grenzen?“ fragte er. „Die Muslime sind die einzigen die Nein sagen und nach Schutzmassnahmen gegen die Verunglimpfung hoch geschätzter Glaubensgüter“ rufen.

Diese Stimmen blieben nicht ohne Gehör. In dem Jahr seit van Goghs Tod hat man damit begonnen, die „Grenzen“ und die „Schutzmassnahmen“, nach denen   Laban und Sacranie riefen, in Kraft zu setzen. Einkurzer Überblick:  

Viele Kunsthüter – eine Spezies, die gewöhnlich die Provokation zelebriert –  haben beschlossen, dass die Provokation von Moslems verboten ist.

Im Januar nahm das Welt-Kultur-Museum in Göteborg ein Bild ab, „Scène d’amour“, das von seiner Künstlerin, Louzla Darabi, als eine “Antwort auf die moslemische Heuchelei in Sachen Sexualität, vor allem die weibliche Sexualität“, bezeichnet wurde. Im Oktober entfernte die Londoner Tate Gallery  John Latham’s „God Is Great“, ein Werk, das Kopien der Bibel und des Koran enthielt (Latham bezichtigte die Galerie der Feigheit.)

Richter trugen ihren Teil dazu bei. Im Mai zitierte ein Untersuchungsrichter in der norditalienischen Stadt Bergamo auf Verlangen der Muslimischen Union die Autorin Oriana Fallaci vor Gericht wegen Beleidigung des Islam in ihrem Buch „La forza della ragione“. (Sie war vorher von einer ähnlichen Anklage in Frankreich freigesprochen worden.) Im September bestätigte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof die Verurteilung eines Verlegers durch ein türkisches Gericht wegen Herausgabe eines Romans, Abdullah Riza Ergüvens „Yasak Tümceler“, der angeblich „den Propheten und die Religion beleidigte.“

Die Gesetzgeber sind in Aktion getreten. Im April verabschiedete das norwegische Parlament – praktisch ohne vorhergehende öffentliche Diskussion – ein Gesetz, das offensive Bemerkungen über irgendeine Religion mit Strafe bis zu drei Jahren Gefängnis sanktioniert – und die Beweislast dem Angeschuldigten auferlegt. Drei Monate später genehmigte das britische Unterhaus eine Gesetzesvorlage, die „Worte oder Verhalten“ kriminalisierte, welche „rassistischen oder religiösen Hass“ entfachen könnten. (Am 25. Oktober wurden die restriktivsten Vorhaben vom Oberhaus zurückgewiesen – ein ironisches Beispiel einer nicht demokratisch gewählten Körperschaft, die für die Demokratie einstand durch die Massregelung einer gewählten.) 

Für einige Europäer aus der Meinungsbranche waren gouvernementale Grenzen nicht nötig gewesen: sie entschieden sich für die Selbstzensur.

Nachdem er “von moslemischen Freunden gewarnt” worden war, kurz nach van Goghs Tod, beschloss der holländische Filmregisseur Albert Ter Heerdt ein Nachspiel zu seiner „multikulturellen Komödie “Shouf Shouf Habibi!“ aufzuschieben. Und im Januar setzte der Produzent Gijs van de Westelaken eine Vorführung von „Submission“ am Rotterdamer Filmfestival ab, das die „Zensurierten Filme“ zum Thema hatte! (Stattdessen bekam das Publikum zwei Filme zu sehen, die mit den Suicid-Bombern sympathisierten.) 

Verteidiger dieses Vielfronten-Angriffs auf die Meinungsfreiheit etikettieren  routinemässig Islamkritiker als Rassisten. Natürlich ist der Islam keine Rasse, sondern eine Religion, aber eine Religion, deren Ideologie in einer demokratischen Gesellschaft völlig offen sein sollte für Kritik und daher auch für Parodie und Spott. Aufgebracht über die Massnahme des Unterhauses, kommentierte der Komiker Rowan Atkinson (der im Fernsehen den Mister Bean spielt): „Für das Erzählen eines treffenden religiösen Witzes sollte man gelobt werden. Für einen schlechten sollte man ausgelacht werden und beschimpft. Die Idee, dass man für beides strafverfolgt werden könnte, ist völlig absurd.“ Atkinson war fast allein unter den britischen Autoren, Künstlern und Entertainern mit seiner ausdrücklichen Kritik der Gesetzesvorlage.

Gewiss, die Bereitschaft, die Freiheit zu opfern ist nicht allgegenwärtig. Letzten September hat die dänische Zeitung Jyllands-Posten, als Antwort auf Berichte, dass dänische Künstler solche Angst vor Racheakten hatten, dass keiner wagte, ein neues Buch über Mohammed zu illustrieren (der, wie einig Muslime glauben, nicht abgebildet werden darf), Künstler eingeladen, Zeichnungen des Propheten zu schicken. Die zwölf eingesandten Portraits, die Jyllands-Posten veröffentlichte  – einige darunter nicht gerade ganz respektvoll gegenüber dem Gründer des Islam, – verursachten einen Aufruhr. Künstler und Redaktoren erhielten Todesdrohungen; die Botschaften einiger moslemischer Länder reichten Beschwerde ein beim dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen (der sich weigerte sich mit ihnen zu treffen „weil es so sonnenklar ist auf welchen Prinzipien die dänische Demokratie gegründet ist, dass es keinen Grund gibt, es zu tun.“); und 5000 Moslems protestierten in den Strassen von Kopenhagen.  

Die belagerten Redaktoren von Jyllands-Postens jedoch hielten stand und schrieben: „Unser Recht zu sagen, schreiben, fotografieren und zeichnen was wir wünschen innerhalb des Rahmens des Gesetzes existiert und muss bedingungslos bestehen bleiben.“  

Gegen Ende 2005 ist das eine Haltung, die sichtlich im Niedergang begriffen ist in vielen Teilen Europas.

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Bruce Bawer ist ein amerikanischer Autor, der in Norwegen lebt. Sein Buch „While Europe Slept: How Radical Islam Is Destroying the West from Within”, erscheint im Februar bei Doubleday.

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